Zen

In dem Artikel Eine kurze Einführung in die gegenstandslose Meditation habe ich Ihnen ein erste Einführung in die gegenstandslose Meditation gegeben. Diese bedient sich nicht, im Gegensatz zur gegenständlichen Meditation, ausgewählter Meditationsobjekte (z.B. Lesung und anschl. Betrachtung einer Bibelstelle). Die innere Versunkenheit geschieht hingegen unter Zuhilfenahme einer der drei Übungen

  • Gewahrsein des Atems
  • Gewahrsein eines Lautes
  • Absichtsloses Sitzen

Im Folgenden möchte ich Ihnen eine Form der gegenstandslosen Meditation, das Zazen, näher bringen. Die Übung des Zazen ist die zentrale Übung im Zen, was schon am Namen ersichtlich wird. Das japanische Wort „Zen“ ist auf das Sanskrit-Wort „Dhyana“ zurück zu führen, was soviel heißt wie „Sammlung des Geistes“. Im Folgenden werde ich hierfür den Begriff „Versunkenheit“ verwenden. „Za“ wird mit „Sitzen“ übersetzt. Somit bedeutet „Zazen“ das „Sitzen in Versunkenheit“. Im Zazen geht es also um eine innere Versunkenheit.
Der Zustand der Versunkenheit wird im japanischen als Zammai oder Sanmai bezeichnet. Charakteristisch für diesen Bewusstseins-Zustand ist die Aufhebung jeglicher Dualität. Deshalb heißt es in dem bekannten Zen-Text „Shinjinmei – Verse über den Glaubensgeist“ (Sosan, 7. Jahrhundert):

Das Subjekt vergeht mit dem Objekt.
Das Objekt vergeht mit dem Subjekt.

Unser alltägliches Bewusstsein beruht jedoch auf dieser Dualität. Wir schmieden Pläne für die Zukunft, glauben wenn wir das und das erreichen, wird alles besser. Bei genauerer Betrachtung bemerken wir sogar, dass unsere ganze Ich-Struktur und demzufolge unsere Identität auf diesem Dualitätsansatz gründet. Beim Sitzen erkennen wir, dass regelrechte Dialoge in unserem Bewusstsein stattfinden. Dabei springt unsere Ratio von einer Vorstellung zur nächsten. Letztendlich jedoch ist die Errungenschaft, „Ich“ sagen zu können, aber eine Einschränkung. Denn unsere Ratio verschleiert den Blick auf unser wahres Wesen. Es sind unsere Gedanken, die von der Wirklichkeit ablenken. Ähnlich einem Teich wird der Grund erst sichtbar, wenn sich die aufgewühlten Bodenpartikel (unsere Gedanken), wieder abgesetzt haben. So heißt es weiter im Shinjinmei:

Soll es sich dir offenbaren,
lass Abneigung wie Vorliebe beiseite.
Der Konflikt zwischen Neigung und Abneigung
ist eine Krankheit des Geistes.

Wie können wir diese „Krankheit“ heilen?

Hier kann uns die Meditation helfen. Die Übung des Zazen, welche sich der o. a. Übungsweisen (für weiterführende Erläuterungen vgl. Anhang) bedient, öffnet den inneren Raum für unser wahres Wesen. Es gibt viele Bildnisse hierfür. Willigis Jäger hat ein Buch mit dem Titel „Die Welle ist das Meer“ veröffentlicht. Jede Welle ist einzigartig, jedoch ergibt die Welle ohne das Meer keinen Sinn. Wir als Menschen haben die Möglichkeit uns als diese universelle Wirklichkeit, als Ozean, zu erfahren. Dafür müssen wir unsere Empfänglichkeitsanlage erweitern. Dazu eine kleine Geschichte.

Der General und der Mönch
Ein General, der mit seinen Soldaten zu Pferd unterwegs war, traf auf einen Zen-Mönch, der in Zazen saß.
Der General rief ihm zu:
„He, du da! Mönch! Geh mir aus dem Weg.“
Der Mönch saß regungslos da und schwieg.
„Bist du denn taub? Hast du nicht gehört? Ich habe dir gesagt, du sollst mir aus dem Weg gehen.“
Aber der Mönch blieb weiterhin unbeweglich und still.
Von seinem Pferd herunter rief der General ihm drohend zu:
„Ich glaube, du weißt nicht, wen du vor dir hast? Vor dir ist ein Mensch, der dich jederzeit töten kann, ohne mit der Wimper zu zucken.“
Da schaute der Mönch auf und antwortete:
„Ich glaube, du weißt nicht wen du vor dir hast? Vor dir sitzt ein Mensch, der jederzeit sterben kann, ohne mit der Wimper zu zucken.“

Diese kleine Geschichte möchte uns verdeutlichen, dass sich unsere Empfänglichkeitsanlage in dem Maße öffnet, wie unsere Ich-Aktivität zurück tritt. Dem Zustand der inneren Versunkenheit (Sanmai) geht der Ich-Tod voraus. Deshalb heißt es im Zen „Stirb auf deinem Kissen“. Der Mönch in der Geschichte weiß um dieses Sterben und ist jederzeit bereit dazu. Mit dem Begriff „sterben“ verbinden wir in der Regel eine Einschränkung. Vielleicht stellen sich auch negative Gefühle oder gar Angst ein. Jedoch brechen wir beim Sterben durch in eine neue Seinsweise. Alle Ich-Aktivität löst sich hierbei auf. Alle Gedanken verschwinden. Wir sind wieder zu Hause angekommen und all unsere Sehnsucht ist gestillt. In diesem Geiste schreibt Torei Zenji (17. Jhd.):

Lotusblüten öffnen sich in jedem Gedanken,
und in jeder Blüte wird das Unbenennbare offenbar.
Überall ist das Reine Land in seiner Schönheit
Und deutlich sehen wir das Licht des Unbenennbaren.

Anhang

Zum inneren Tönen bei der Übung „Gewahrsein eines Lautes“ wird im Zen üblicherweise „Mu“ verwendet. Das „Mu“ ist das erste Koan aus der Koan-Sammlung „Mumonkan“ von Zen-Meister Mumon. Dort heißt es:

Ein Mönch fragte Joshu in allem Ernst: „Hat ein Hund Buddhanatur oder nicht?“ Joshu sagte: „Mu.“

Ein Koan wird als Mittel eingesetzt, um die Erfahrung der Schüler zu vertiefen. Charakteristisch für jedes Koan ist das Paradoxon, d.h. dass es im Gegensatz zu herkömmlichen Rätseln nicht mit dem Verstand gelöst werden kann. In diesem Falle geht es um die Bedeutung von „Mu“. Wörtlich übersetzt heißt es „nichts“ oder „hat nicht“. Demzufolge würde das also bedeuten „Nein, ein Hund hat keine Buddhanatur.“ Jedoch würde Mumon hier Shakyamuni Buddha (Begründer des Buddhismus, 5. Jhd. v. Chr.) widersprechen, der bei seiner Erleuchtungserfahrung ausgerufen hat: „Alle Lebewesen haben Buddhanatur!“ Was also ist „Mu“?

Die Übung des absichtslosen Sitzens wird im Zen mit „Shikantaza“ bezeichnet, was sich aus den Worten „Shikan“ (nichts als), „ta“ (treffend), „za“ (sitzen) zusammen setzt. Es handelt sich also um das Verweilen in einen Zustand gedankenfreier, hellwacher Aufmerksamkeit. Nach Dogen Zenji (jap. Zen-Meister des 13. Jhds.) ist Shikantaza die höchste oder reinste Form des Zazen, das Zazen, wie es alle Buddhas der Vergangenheit geübt haben.

Quellen

Ein Gedanke zu „Zen

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